Die schrecklichen Folgen des Krieges in der Ukraine sind in vielen Bereichen zu spüren. Als Kehrseite der Sanktionen sind auch die Finanzierungsbedingungen für europäische Unternehmen schlechter geworden – entsprechende Anleihen rentieren inzwischen deutlich höher. So ist die gemittelte Rendite von Unternehmen mit guter Bonität in den vergangenen Wochen um rund 0,4 Prozentpunkte gestiegen, die von Unternehmen mit schlechterer Bonität gar um 1,7 Prozentpunkte. Wie können Anleger auf diese Unterschiede reagieren?

Ein gangbarer Weg: Zunächst können Anleger im ersten Schritt nach Branchen und im zweiten nach Unternehmen Ausschau halten, die vom Anleihe-Markt wenig abgestraft wurden. Schnell stößt man dabei auf Rohstoffkonzerne. Deren Anleihen mussten zuletzt nur geringe Renditeaufschläge hinnehmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Der Markt attestiert Rohstoffkonzernen ein geringeres Risiko.

Darüber hinaus haben die Renditen am Anleihemarkt noch eine weitere Dimension: Neben der Eigenschaft als Risikobarometer wirken sich gestiegene Zinsen mittel- und langfristig auch auf die Gewinne aus. Dann nämlich, wenn Schulden nicht reduziert werden und die Refinanzierung teurer wird. Besonders gefährdet sind hier Versorger und die Telekommunikationsbranche. Bei Werten aus diesen Sektoren sind eine ohnehin unerlässliche Analyse und ein professionelles Risikomanagement besonders wichtig. Bei Unternehmen aus dem Rohstoffsektor ist diese Gefahr geringer, was sie gegenüber anderen Zyklikern besser dastehen lässt.

Rohstoffmarkt bleibt eng

Doch auch fundamental spricht vieles für Titel aus dem Rohstoffsektor. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der Rohstoffkonzerne aus Europa liegt aktuell noch immer im einstelligen Bereich. Das ist günstig. Kritische Leser werden nun anmerken, dass niedrige Bewertungen nur ein positives Signal sind, wenn auch die Aussicht besteht, dass diese abgebaut werden. Das stimmt. Doch auch diesbezüglich gibt es bei Rohstoffkonzernen berechtigte Hoffnung. Welche? Die Antwort steht nicht nur an der Zapfsäule. Neben Öl und Gas steigen Rohstoffe aktuell auf breiter Basis an. Vor wenigen Tagen kletterten die Nickel-Futures zeitweise um mehr als 60 Prozent – und zwar an nur einem Tag. Auch Edelmetalle oder Kupfer zogen zuletzt deutlich an – die Verwerfungen an den Märkten sind offensichtlich.

Dass die Rohstoffpreise sich derzeit so robust präsentieren, ist auch mit den noch immer im Zuge der Pandemie beeinträchtigten Lieferketten und der schleppenden Exploration neuer Rohstoff-Projekte zu erklären, die einerseits wegen der Pandemie und andererseits auch wegen des Mantras der Klimaneutralität vernachlässigt wurde. Hinzu kommt, dass die Ausweitung des Rohstoff-Angebots ohnehin träge ist und lange dauert. In einer Zeit, in der sich viele Pensionskassen selbst im Rohstoff-Land Kanada von fossiler Energie verabschieden und nicht mehr investieren wollen, dürfte es kaum schneller gehen.

Viele Argumente für Rohstoffkonzerne

Doch in der Klimawende liegen auch Chancen. Viele Rohstoffkonzerne haben sich längst zweite Standbeine gesucht, etwa im Bereich der regenerativen Energien. So schwingt bei Investments im Rohstoff-Sektor zunehmend auch eine Portion Zukunft mit. Überhaupt hat sich der Sektor in den vergangenen Jahren erneuert. ESG, also Nachhaltigkeitskriterien rund um Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, sind längst Standard. Und wer diesen Standard ignoriert, wird inzwischen immer häufiger vom Markt abgestraft.

Vertreter der Branche erkennen den Trend als Chance – schließlich sind etwa Kunden aus der E-Auto-Industrie oder dem Bereich der regenerativen Energien an sauberen Lieferketten interessiert. Investments in Rohstoffkonzerne bieten daher sicherlich Chancen, aber es benötigt wirklich einen genauen Blick, wie und wo und in welches Unternehmen investiert wird. Zwar sind es geringe Bewertungen bei einigen Unternehmen und auch das Ertragspotenzial kann hoch ausfallen, aber in diesem Sektor muss der Anleger auch stets die Risiken im Blick behalten, denn auch stärkere Korrekturen sind nicht ausgeschlossen. Dazu kommt allerdings: In der Branche steckt auch eine gehörige Portion Zukunft sowie ein nicht zu unterschätzender Inflationsschutz.

 

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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