Seit Monaten entwickelt sich der europäische Aktienmarkt vergleichsweise besser als Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq. Warum die größte Volkswirtschaft des Planeten hinterherhinkt, der US-Aktienmarkt aber auf mittlere und lange Sicht zu alter Stärke zurückkehren wird und weiterhin attraktive Renditechancen bietet.

Investoren staunen mit Blick auf die internationalen Aktienindizes nicht schlecht: Seit einem halben Jahr läuft der US-Aktienmarkt den europäischen Börsen sozusagen hinterher, insbesondere dem DAX. Vor allem in den vergangenen drei Monaten konnten europäische Aktien den US-Aktienmarkt outperformen. Natürlich muss man anmerken, dass gerade der DAX im vergangenen Jahr stark nach unten tendierte, was für ganz Europa galt. Zu hoch waren die Belastungsfaktoren durch das Thema der Inflation, des Ukrainekriegs und sicherlich auch der Verschuldung des Euroraumes, mit Bezug auf steigende Zinsen. Was heißt das nun für das restliche Börsenjahr? Geraten US-Aktien ins Hintertreffen?

Weshalb der US-Aktienmarkt lange die Richtung vorgab

Tatsächlich gibt es gute Gründe für die Stärke europäischer Aktien und eine relative Schwäche des US-Aktienmarktes. Wir sind es nur seit vielen Jahren gewohnt, dass sich der US-Aktienmarkt besser entwickelt als der europäische. Dafür gab es auch gute Gründe, denn Europas Unternehmen hatten seit der Finanzkrise und während der Euro-Krise und des Brexits ein schwächeres Gewinnwachstum ausgewiesen als US-Unternehmen. Auf der anderen Seite des Atlantiks profitierte die Wirtschaft stärker von den niedrigen Zinsen, etwa die wachstumsstarken großen Technologie-Titel mit ihrem hohen Bedarf an Wachstums-finanzierung. Apple, Microsoft, Amazon & Co. erreichten so einen Börsenwert in Billionenhöhe. Unter dem Strich stiegen die Börsenbewertungen in den USA somit schneller als in Europa.

Doch das Blatt hat sich vor einigen Monaten allmählich zugunsten europäischer Aktien gewendet. Immer mehr Investoren sahen und sehen größere Renditechancen in Europa. Ein wesentlicher Grund: der US-Aktienmarkt erschien ihnen im Vergleich zum europäischen zu teuer.

US-Aktienmarkt ist höher bewertet als europäische Aktien

Anleger können das unter anderem am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ablesen. Das KGV gibt an, wie viele Jahresgewinne eines Unternehmens nötig wären, um dem aktuellen Kurs zu entsprechen. Je niedriger das KGV, umso günstiger ist eine Aktie. Tatsächlich sind die KGVs in den USA noch immer höher als in Europa: In den USA liegt das Durchschnitts-KGV für den Dow Jones aktuell bei knapp 20, für den S&P 500 bei knapp 23 und an der Technologie-Börse Nasdaq bei mehr als 24. Für den EuroStoxx 50 beträgt das KGV hingegen weniger als 15, für den Dax liegt es sogar unter 14.

Ein weiterer Grund für die relative Schwäche der US-Börse ist, dass die Gewinnprognosen in den USA seit Monaten rückläufig sind oder stagnieren, was selbst bei einem gleichbleibenden Kurs zu einem höheren KGV führt. Vor allem der hoch bewertete Technologiesektor leidet unter den Leitzinserhöhungen und viele der Tech-Riesen entlassen nun im großen Stil Mitarbeiter. Die rückläufigen Gewinne in den USA treffen so auf hohe Börsenbewertungen. In der Konsequenz drückt das die Stimmung am US-Aktienmarkt, was gleichzeitig europäischen Börsen Rückenwind gibt.

Europäischer Aktienmarkt hat an Stärke gewonnen

Europas gute Perspektive überzeugt derzeit die Investoren. Zum einen gehen die Wirtschaftsinstitute bisher von einem sanften Konjunkturrückgang in der EU aus, die Furcht vor einer harten Rezession hat nachgelassen. Die Unternehmen in der EU und Großbritannien haben sich als robust erwiesen und ihre Gewinnprognosen unter dem Strich sogar angehoben. Zum anderen profitiert Europa von sinkenden Energiepreisen nach den Preisschocks zu Beginn des Ukraine-Krieges. Auch die Wiedereröffnung Chinas bietet Europa – und insbesondere der exportstarken deutschen Wirtschaft – im Vergleich zu den USA bessere Chancen.

Anleger sollten den US-Aktienmarkt jedoch keineswegs abschreiben

Der positive Trend an Europas Börsen könnte zwar noch über den Sommer anhalten. Mittel- bis langfristig werden Amerikas Stärken aber wieder zum Tragen kommen: Die US-Wirtschaft bleibt mit ihrer wirtschaftlichen Dynamik und Innovationskraft weiter der Spitzenreiter der globalen Wirtschaft.

Für eine Aufholjagd der US-Börse sprechen zudem weitere Entwicklungen: Anleger sollten beispielsweise nicht vergessen, dass die US-Notenbank Federal Reserve der Europäischen Zentralbank weit voraus ist. Sie hat die Zinsen früher und energischer zur Bekämpfung der Inflation hochgeschraubt. Auch die Inflationserwartungen sind in den USA niedriger: Im Februar lag die Inflationsrate für die USA bei 6,0 Prozent, in der Euro-Zone erreichte sie 8,7 Prozent. Dementsprechend kann die Fed ihren Zinserhöhungszyklus früher beenden als die EZB, zumal sie in ihrer Geldpolitik auch keine Rücksicht auf irgendwelche Mitgliedstaaten mit besonders hoher Inflation nehmen muss. Weil ein Ende der Zinserhöhungen in Sichtweite erscheint, hat die Nasdaq in den vergangenen Wochen bereits eine beeindruckende Kursrally erlebt.

Wachstumsprognosen sprechen für US-Aktienmarkt

Das Beispiel zeigt, dass der US-Aktienmarkt schnell Fahrt aufnehmen kann, sobald es für die Konjunktur wieder mehr Grund zum Optimismus gibt. Dazu könnten verschiedene Faktoren beitragen: Die USA profitieren als Nettoexporteuer etwa von einem steigenden Ölpreis, einem schwächeren Dollar oder ihren zahlreichen Wachstumsbranchen und Weltmarktführern, wenn der Konsum der Haushalte wieder zunimmt.

Daneben sind die Prognosen zu Wachstum und Inflationsdaten für die USA deutlich positiver als für die Europäische Union. Die OECD etwa hat ihre Wachstumsprognose für die USA mittlerweile um einen ganzen Prozentpunkt angehoben und erwartet nun ein BIP-Wachstum von 1,5 Prozent. Auch für die EU hat sich die Wachstumsprognose verbessert, allerdings nur auf ein Plus von 0,8 Prozent. Für Deutschland wird sogar lediglich ein Plus von 0,2 Prozent in diesem Jahr erwartet.

Verbunden mit der Tatsache, dass die US-Wirtschaft ein Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit erlebt und die hohe Inflation weniger auf den Konsum der Amerikaner durchschlägt als befürchtet, dürfte sich die Vereinigten Staaten schneller erholen als Europa. Vor allem der inländische Konsum in den USA dürfte weiter zulegen. Für die US-Wirtschaft spielt die Konsumnachfrage eine entscheidende Rolle.

Die USA und damit auch die US-Börsen dürften vor diesem Hintergrund langfristig der weltweite Taktgeber für die Aktienmärkte bleiben. Die US-Wirtschaft zeigt sich innovativer, wachstumsstärker und anpassungsfähiger als die europäische. Es wäre keine Überraschung, wenn Dow Jones, Nasdaq 100 und S&P 500 nach dieser Schwächephase wieder mit Karacho zum EuroStoxx 50 und DAX aufschließen und erneut die Führungsrolle unter den Weltbörsen übernehmen. Es wäre nicht das erste Mal. Daher gilt wie immer, je breiter man sozusagen aufgestellt ist seitens seiner Diversifikation in der Vermögensverwaltungsstrategie, umso besser. Denn dann ist man bei steigenden Kursen immer mit einem Anteil in einem dominierenden Markt vertreten. Dieses berücksichtigen wir seit nunmehr 29 Jahren in all unseren Verwaltungslösungen für unsere Kunden.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

 

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