Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den kometenhaften Inflations-Anstieg zu lange tatenlos hingenommen. Im Juli hat die Notenbank um EZB-Chefin Christine Lagarde dann erstmals seit rund elf Jahren den Leitzins angehoben. Dass die EZB den europäischen Schlüsselzins gleich um 50 Basispunkte auf aktuell 0,5 Prozent erhöht hat, kam bei vielen Marktakteuren gut an. Schließlich haben sich die Märkte jüngst zumindest wieder ein wenig beruhigt.

Doch wie sieht es auf den zweiten Blick aus? Betrachtet man etwa die Entwicklung der Kreditausfallversicherungen für Staatsanleihen, wird die Luft vor allem für die hoch verschuldeten Euro-Länder immer dünner. Wenn die Zinsen steigen, sollten Staaten, die ihre auslaufenden Schuldtitel immer wieder refinanzieren müssen, in die Bredouille geraten. Schon jetzt rentieren etwa italienische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren um über 2 Prozentpunkte höher als zehnjährige Bundesanleihen.

Staatsfinanzierung durch die EZB

Nicht von ungefähr wurden daher zuletzt auch wieder die Stimmen lauter, die ein Scheitern des Euro als Worst-Case-Szenario für möglich halten beziehungsweise an der Zukunft des Währungsraums zweifeln. Diese Gefahr schließen offenbar auch die europäischen Notenbanker nicht aus. Schließlich hat die EZB im Juli nicht nur den Leitzins erhöht, sondern gleichzeitig auch das so genannte Transmission Protection Instrument (TPI) ins Leben gerufen. Das Programm ermöglicht die Finanzierung von Staaten durch die EZB unabhängig vom Kampf gegen die Inflation. „Ungewollte“ Spread-Ausweitungen, also höhere Risikoaufschläge für Euro-Mitgliedstaaten, können durch gezielte Anleihekäufe der Notenbank ausgeglichen werden. Bisher hatte die Zentralbank im Rahmen ihres Aufkaufprogramms Anleihen aller Euro-Staaten anteilig erworben. Jetzt geht man zielgerichteter vor – zumindest auf den ersten Blick.

Die Eurozone ist gefährdet, doch Anleger sollten souverän bleiben

Auf den zweiten Blick hebelt das TPI aber wichtige Marktmechanismen aus. Wenn die Märkte für bestimmte Länder Sonderkonditionen schaffen und deren Anleihen in der EZB-Bilanz vergemeinschaftet werden, fallen wichtige Anreize für das Sparen oder für strukturelle Reformen weg. Gleichzeitig wächst das Risiko, das in der Bilanz der EZB schlummert. Ein solches Vorgehen mag kurz- und mittelfristig wie eine geniale Lösung wirken, doch sollte sich die EZB darüber im Klaren sein, dass das TPI – wenn überhaupt – nur vorübergehend funktionieren kann. Wenn der Markt mit seiner Korrekturfunktion für längere Zeit ausgehebelt wird, wachsen Risiken langfristig nur an.

Das TPI kann maximal eine mittelfristige Lösung sein. Entscheidend wird für die EZB sein, zunächst die Inflation zu bekämpfen. Ausgehend von der aktuellen Situation können wir von EZB-Chefin Christine Lagarde erwarten, dass der Zinserhöhungszyklus in den kommenden Monaten beherzt fortgesetzt wird. Beherzt deswegen, weil die EZB ein Interesse daran haben dürfte, wieder möglichst bald die Refinanzierungsbedingungen der Staaten verbessern zu können. Und das gelingt, indem mit nun kräftig anziehenden Zinsen Raum für künftige Zinssenkungen geschaffen wird.

Anleger sollten nicht vom Schlimmsten ausgehen

Doch was bedeutet die Situation rund um die EZB und Staaten der Euro-Peripherie für uns Anleger? Wie können Investoren ihr Vermögen sichern und im Idealfall mehren? Anleger sollten wohl im Hinterkopf behalten, dass der Fortbestand der Eurozone langfristig alles andere als garantiert ist. Zwar sind EU, Eurozone und EZB Meister darin, Zeit zu kaufen, doch wächst letztlich nur das Risiko, dass es am Ende zu einem großen Knall kommen könnte. Die gesamte Vermögensplanung nach diesem möglichen großen Knall auszurichten, wäre allerdings falsch. Denn: Dass der Währungsraum auseinanderbricht, ist keineswegs Gewiss und falls doch, sind der Zeitpunkt und das Ausmaß unbekannt.

Aktien bieten attraktive Renditen – trotz zahlreicher Krisen

Zudem sollten Anleger bedenken, dass die Welt in den vergangenen Jahrzehnten schon mehrfach am Abgrund stand – etwa aufgrund des Kalten Krieges, der geplatzten Internet-Blase um die Jahrtausendwende oder zu Zeiten der Ölkrise in den 1970iger Jahren. Fakt ist aber: Die Welt hat sich stets weitergedreht – und Anleger, die in der Vergangenheit aufgrund dieser und weiterer Gefahrenherde dem Aktienmarkt ferngeblieben sind, haben die durchaus attraktiven Renditen der vergangenen Dekaden an sich vorbeiziehen lassen. Dazu zwei Beispiele: Wer etwa Ende 2010 den gesamten DAX kaufte und Ende 2021 die Aktien wieder verkauft hat, erzielte eine jährliche Rendite von durchschnittlich 7,9 Prozent. Über eine im Schnitt jährliche Rendite von sogar 9,5 Prozent können sich all diejenigen freuen, die Ende 1981 DAX-Aktien erworben und dies Ende 2021 verkauft haben. Diese Beispiele zeigen einmal mehr: Aktien sind und bleiben Sachwerte – und bieten trotz aller Krisen auf lange Sicht attraktive Renditechancen.

Mit Wissen und Erfahrung auf Aktien setzen

Doch Vorsicht: Vor allem in so herausfordernden Zeiten wie derzeit, kommt es beim Vermögensaufbau mit Aktien auf Wissen, Erfahrung und ein professionelles Risikomanagement an, wie wir es seit mehr als 29 Jahren bieten und erfolgreich umsetzen. Wichtig ist – neben den zahlreichen weiteren Krisenherden – vor allem die Gesamtlage der Eurozone im Blick zu behalten, die Entwicklungen einordnen zu können und das Handeln daran auszurichten. Das geht etwa, indem wir den beengten Handlungsrahmen der EZB berücksichtigen und die Zinspolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Gegebenheiten prognostizieren. Bei der Auswahl geeigneter Aktien kann ein solcher Handlungsrahmen von großem Vorteil sein.

Generell muss natürlich auch erwähnt werden, dass der Blick neben dem auf Europa, weltweit erfolgen muss. Denn alle großen volkswirtschaftlichen Räume müssen seitens ihrer Entwicklung und der Zusammenhänge betrachtet und analysiert werden. Nur so gestaltet sich das sogenannte „Big Picture“, auf dessen Basis dann auch die Anlageentscheidungen am Aktienmarkt umgesetzt werden können. Und dieser bietet hervorragende Chancen, auch und gerade im jetzigen Umfeld – vorausgesetzt, man schaut genau hin und positioniert sich langfristig, idealerweise mit einem aktiven Verwaltungsansatz.

 

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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