Mit „Maß und Mitte“ versuchen die großen Parteien vor jeder Bundestagswahl, die Mehrheit zu erringen. Auch die Notenbanken scheinen es inzwischen allen recht machen zu wollen: Um jeweils 25 Basispunkte hoben jüngst sowohl die US-amerikanische Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen an. Damit nahmen die Währungshüter auf ihrem Zinskurs ein wenig den Fuß vom Gas. Wir erinnern uns: In den vergangenen Monaten ging es für die Zinsen teilweise auf einen Schlag um 75 Basispunkte nach oben. Mit ihrer vorsichtigeren Haltung versuchen die Notenbanken einen Spagat zwischen dem Kampf gegen die Inflation und der wachsenden Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs.

Zinspolitik mit „Maß und Mitte“

Dass letzteres Szenario zumindest möglich sein könnte, zeigen aktuelle Daten. Im März sank die Industrieproduktion in Deutschland um 3,3 Prozent. Auch die Aufträge schwächeln: Um rund 10 Prozent sanken die Auftragseingänge im März. Diese beiden Zahlen deuten darauf hin, dass sich die Schwäche der Industrie dieses Mal über einige Monate oder gar Quartale halten könnte. Eine Rezession, die eine schrumpfende Wirtschaft in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen voraussetzt, sollte daher zumindest nicht ausgeschlossen werden. Wenngleich die Gefahr für ein Rezessions-Szenario Ende 2022 noch weitaus größer eingeschätzt wurde als derzeit. In den USA hat sich das bislang stets rosige Bild ein wenig eingetrübt; dieses ist ja auch das Ziel der Notenbankpolitik, mit steigenden Zinsen gegen die Inflation zu kämpfen und damit die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt künstlich zu schwächen. Im März wurden daher nur 236.000 neue Stellen geschaffen, noch im Monat zuvor waren es rund 90.000 mehr gewesen. Dieses ist ein wichtiger Indikator für zukünftige Zinsentwicklungen.

Die aktuellen Konjunkturdaten sind somit in den USA ein Indikator dafür, dass ein Zinserhöhungsende naht, jedoch weiß man nicht, ob die starken Anstiege nicht schon zu hoch waren, gerade mit dem Blick auf den Bankensektor. Im Februar anlässlich unserer Jahresauftaktveranstaltung sprach ich es bereits an, dass aus meiner ökonomischen Sicht im Februar bereits eine Zinspause in den USA hätte einsetzen müssen, um zu sehen, wie die Entwicklung der einzelnen Sektoren verläuft. Im März kam dann die erste Bankeninsolvenz mit der Silicon Valley Bank, die mit den angestiegenen Zinsniveaus so hohe Verluste auf der Anleiheseite verbuchen musste – steigende Zinsen = fallende Anleihekurse –, dass diese in die Insolvenz ging. Zinsentscheidungen, wie von Währungshütern zuletzt immer wieder betont, werden ihre Wirkung mit einiger Verzögerung entfalten. Wir hoffen nur, dass nach dem ersten Fehler der US-Notenbank, die Zinsen bereits im Jahr 2021 nicht leicht anzuheben, jetzt nicht der nächste Fehler da ist, indem man zu stark das Ganze anging!

Chinas-Comeback kommt zur richtigen Zeit

Dem Aktienmarkt kommt in der aktuellen Situation zupass, dass an der Börse die oft zitierte Zukunft gehandelt wird. Längst blickt der Markt über die bevorstehende Zinspause hinweg und antizipiert sogar Zinssenkungen. Da sich parallel die lange Zeit problematischen Lieferschwierigkeiten zuletzt ein wenig reduziert haben und Chinas Wirtschaft just im Moment US-amerikanischer Mini-Schwäche wieder Fahrt aufnimmt, könnte es letztlich bei einer technischen Rezession bleiben. Von einer technischen Rezession spricht man, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge schrumpft. Eine solche Rezession lässt sich erst in der Rückschau erkennen – meist geht es danach wieder positiv weiter und Märkte sowie Wirtschaft lassen sich von dem kurzfristigen Ereignis nicht allzu verunsichern.

Bleibt das nach wie vor nicht zu unterschätzende Risiko der Inflation. In den USA notieren die Leitzinsen inzwischen leicht über dem Niveau der Inflationsrate, nicht der Kerninflationsrate. Unter Fachleuten gilt das als Voraussetzung dafür, die Teuerung in den Griff zu bekommen. Hinzu kommen die dämpfenden Effekte der Krise im Bereich der US-Regionalbanken, was die Kreditvergabe und die Umlaufgeschwindigkeit des Kapitals kurzfristig drosseln dürfte, was ebenfalls den Kämpfern gegen die Inflation in die Karten spielt. Da die Teuerung der vergangenen Jahre durch Probleme auf der Angebots-Seite ausgelöst wurde, dürfte auch das Comeback Chinas sowie die inzwischen wieder besser funktionierenden Lieferketten einen positiven Effekt haben. Auf der anderen Seite spült man durch die Fed wieder Geld ins System, knapp 2 Billionen US Dollar, um die Bankenkrisen zu verhindern.

Dank Aktien flexibel positioniert

Es besteht also zumindest die Chance, dass sich die Teuerung – sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks – auf dem aktuellen Niveau womöglich ein wenig beruhigt oder sogar gleich bleibt. Das eröffnet mittelfristig die Option für niedrigere Zinsen, was die Wirtschaft belebt und Risiken rund um Banken und den Bausektor minimiert – für Anleger ist diese Perspektive erfreulich.

Aber: Dass die Inflationsdaten auf Sicht der kommenden zwei Jahre wieder unter die Marke von zwei Prozent sinkt und damit auch die Leitzinsen, ist mehr als unwahrscheinlich. Eine Inflationsrate jenseits der Marke von 4 bis 5 Prozent ist mittelfristig hingegen sehr viel wahrscheinlicher und bleibt damit das wichtigste Argument für Aktien. Keine andere Anlageklasse ist derart flexibel, eröffnet die Chance auf individuell zugeschnittene Portfolios je nach Risikoneigung und Anlagehorizont und hat als Sachwert-Investment den Inflationsschutz bereits eingebaut. Auch wenn sich die Teuerung zuletzt minimal beruhigt hat, tun Anleger gut daran, für alle Szenarien gewappnet zu sein. Mit einer geeigneten Aktienselektion und einem aktiven Vermögensverwaltungsansatz, wie wir diesen seit nunmehr fast 30 Jahren bieten, schauen wir für unsere Kunden natürlich positiv in die Zukunft.

 

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