Dass 2022 ein überaus herausforderndes Jahr war, dürfte unumstritten sein. Selten zuvor kamen derart viele Risiko- und Krisen-Faktoren zusammen und bedingten sich wechselseitig. Neben der ausufernden Inflation und der als Reaktion darauf steigenden Leitzinsen kam auch die Konjunktur kräftig unter Druck – und der Krieg in der Ukraine rief teilweise selbst hierzulande existenzielle Ängste auf den Plan. Angesichts dieser Melange aus Krisenherden ist es kein Wunder, dass allein seit Dezember 2021 die Marktkapitalisierung des US-Aktienindex S&P 500 um rund 10 Billionen US-Dollar nachgegeben hat. Zwar preisen Kapitalmärkte nach dem ersten Schock in der Regel schon bald wieder ein optimistischeres Szenario ein, doch war 2022 in dieser Hinsicht anders.

Notenbanken haben zu spät reagiert und ließen Kurse Achterbahn fahren

Die von den großen Notenbanken verlangte Gratwanderung zwischen Inflationsbekämpfung in Form von steigenden Zinsen auf der einen Seite und dem Verhindern einer tiefen Rezession auf der anderen Seite, verlangte von allen Marktteilnehmern 2022 eine Menge ab. Weitaus entspannter wäre es für die Märkte wohl gewesen, wenn die Zentralbanken – allen voran die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) – sehr viel früher die Zinswende eingeleitet hätten. Möglich wäre dies bereits im Jahr 2021 gewesen – also in einer Phase, in der die Wirtschaft sich recht robust präsentierte und höhere Zinsen besser verkraftet hätte.

Wie dem auch sei, abhängig von aktuellen Konjunkturdaten veränderte sich 2022 die Erwartung an das weitere Handeln der Notenbanken nahezu im Wochen-Rhythmus. Folglich fuhren auch die Aktienkurse – vor allem im zweiten Halbjahr 2022 – Achterbahn. Langfristig denkende Anleger sollten sich aber vor Augen führen, dass es keinen Sinn macht, die Entwicklungen des Jahres 2022 isoliert zu betrachten. Qualitativ hochwertige Portfolios, die 2022 keine attraktive Rendite, sondern Verluste generierten, werden auf lange Sicht wieder weitaus mehr Freude bereiten, so viel ist sicher. Leider gehört es zum Börsenverlauf dazu, dass es auch harte Einschnitte seitens der Aktienkurse gibt, daher spricht man im Volksmund immer von mindestens fünf Jahren Anlagehorizont und mehr. Über diesen Zeitraum haben sich gute Werte fast immer erholt und einen ertragreichen Performancebeitrag geliefert, trotz Marktschwankungen.

2023: USA als Quell für Rendite

Auch im Jahr 2023 wird die Inflation die Märkte weiter beschäftigen. Zwar dürfte sowohl im Euroraum als auch in den USA die Inflation ihren Zenit überschritten haben, doch wird sie noch viele Monate ein überaus hohes Niveau aufweisen. Vor allem innerhalb der Eurozone hat die EZB aber vergleichsweise weniger Möglichkeiten für eine aggressive Geldpolitik – zu heterogen sind die Volkswirtschaften innerhalb der Währungsunion aufgestellt. Zu schnell könnten zu hohe Zinsen die Konjunktur abwürgen und den Schuldendienst von Staaten gefährden.

Deutlich besser sieht es allerdings in den USA aus. Hier ist die Inflation mehr von einer dynamischen Wirtschaft getrieben und weniger von der Angebotsseite über hohe Energiepreise bestimmt. Das zeigt sich etwa an überaus erfreulichen Konjunkturdaten, wie der geringen Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent und den um 5 Prozent jährlich steigenden Löhnen innerhalb der USA. Letzteres ist zwar wegen der Inflation keine uneingeschränkt positive Nachricht, doch überwiegt die Bedeutung steigender Löhne für die US-Binnenwirtschaft. Nicht umsonst prognostizieren viele Beobachter den Vereinigten Staaten 2023 ein leichtes Wachstum. Doch Vorsicht: So erfreulich die jüngsten US-Wirtschaftsdaten auch sind, auf der anderen Seite könnte der Zinserhöhungszyklus zur Reduzierung der Inflation nun länger anhalten – und damit einhergehend besteht auch die Gefahr weiterer Fehleinschätzungen der US-Notenbank, die schlimmstenfalls in einer Rezession münden könnten. Ein Szenario, das für die Eurozone bereits jetzt schon als sehr wahrscheinlich gilt.

Aktien sind und bleiben für den Vermögenserhalt und -aufbau das Mittel der Wahl

Trotzdem gibt es gute Gründe, auch weiterhin weiter auf Aktien zu setzen. Wer 2022 bereits mit Augenmaß Positionen bei vielversprechenden Titeln aufgebaut hat, ist womöglich bereits bestens aufgestellt und partizipiert dann, wenn die Geschehnisse sich in ein paar Monaten oder auch erst im kommenden Jahr reduzieren oder abgebaut haben. Angesichts des zu erwartenden leichten Wachstums, des robusten Binnenmarktes und der zahlreichen Weltmarktführer bleiben auch 2023 Aktien aus den USA die wohl vielversprechendste Wahl.

Mit Abstrichen gibt es aber auch in Europa Chancen. Erstens dürfte die Rezession laut EU innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft mit 0,3 Prozent gering ausfallen, obwohl die Märkte teilweise noch immer Schlimmeres erwarten. Zweitens gibt es auch in Europa viele Weltmarktführer aus Zukunftsbranchen, deren Kurse schon bald die Entwicklungen der Jahre 2024 und 2025 vorwegnehmen werden. Punktuell bleiben mit Blick auf das neue Jahr auch Schwellenländer interessant. Zwar knirscht es angesichts der abrupten Corona-Lockerungen in China aktuell noch gewaltig im einst stets gut geölten Maschinenraum der Weltwirtschaft, doch dürfte sich der Strategieschwenk Pekings bereits mittelfristig auszahlen.

Die Welt hat sich nun einmal geändert und Geschenke gibt es nicht umsonst. Wer weiter im Sparbuch bleibt und sich jetzt über 1 Prozent Zinsen freut, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht oder besser ohne die Inflation zu berücksichtigen, denn real führt 1 Prozent Zinsen auf dem Sparbuch zu einer Geldvernichtung. Wer zu den Anlegern gehört, die tatsächlich in diesem Umfeld und bei allen Herausforderungen auf die Aktienjahresrendite schauen und täglich die Aktienkurse verfolgen, hat auch nicht die Umstände verstanden. Vielleicht nochmals: Es ist Krieg in Europa, wir haben einen Energiepreisschock, wir haben Rezessionen vor der Tür und in den wichtigsten Wirtschaftsräumen hohe Inflationen, die nur mit steigenden Zinsen zu bekämpfen sind. Wer in diesem Umfeld sein Geld erhalten und retten möchte, der nutzt die Sachanlage. Die Immobilie steht vor der Abwertung und der Aktienmarkt schwankt, so ist es nun einmal. Natürlich ist aus unserer Sicht der Aktienmarkt der ideale Schutz – und zwar nicht kurz- und auch nicht mittelfristig, sondern langfristig.

Gehen wir davon aus, ein Kurs fällt von 100 Euro auf 75 Euro, dann ist es ein Buchverlust, kein Realverlust. Möglicherweise erholt sich der Kurs in den darauffolgenden drei Jahren erneut auf 100 Euro und steigt in den dann kommenden drei Jahren auf 130 Euro, dann sind genau diese 6 Jahre zu betrachten, die man benötigte, um sein Kapital zu mehren. Die andere Seite wäre die Inflation über sechs Jahre. Angenommen sie wird im Euroraum im Mittel ein Niveau von 7 Prozent aufweisen, dann würde der Kaufkraftverlust bei 33,5 Prozent liegen. Entscheiden Sie selbst, ob es sich da nicht lohnt, die Schwankungen am Aktienmarkt zu akzeptieren. Und obiges ist nur ein Beispiel, sei es auf der Zeitachse oder aber mit dem Beispiel des Kursverlustes. Es dient nur dazu, einmal anders die Welt zu betrachten. Am Ende ist es der Preis der heute veränderten Welt, wenn es um das Kapital geht.

Aktives Management ist wichtiger denn je

Mit Blick auf den Aktienmarkt bleibt ein aktives Management für Anleger ebenso wichtig, wie ein langfristiger Anlagehorizont. Dass es keinen Sinn macht, eine Anlagestrategie in das enge Korsett eines überaus volatilen Jahres zu zwängen und daran zu messen, hat nicht nur 2022 gezeigt, denn die enormen Herausforderungen – auch unsere Politik geschuldet –  türmen sich auf wie selten zuvor. Allerdings, jedes mit Weitblick konzipierte Portfolio wird früher oder später seine Stärken ausspielen, nur das kann nicht jeder, da gilt es mit einem langen Erfahrungsschatz und einer großen Expertise aufzuwarten, um langfristig die Erfolge einzufahren. Natürlich ist auch zur Kenntnis zu nehmen, dass die Ende 2022 bereits kleiner ausgefallenen Zinsschritte eine zukünftige Normalisierung in den USA andeuten.

Auch wenn das erste Halbjahr 2023 noch wirklich volatil bleiben dürfte und damit stark schwankt, sind Investoren mit bestehenden Positionen am Aktienmarkt bestens bedient – langfristig geht es mit der richtigen Titelauswahl schließlich immer nach oben. Dazu findet man nur selten den geeigneten Einstiegszeitpunkt in einem derart multiplen Stressumfeld. Dies gelingt nur, wenn man die Bewertung von Einzelaktien oder Segmenten beherrscht, denn dann können gezielte Aktienkäufe schon jetzt stattfinden, egal ob der Wert dann nochmals 10 Prozent abgibt. Dass vorliegende Zahlenmaterial ist das Wichtigste, um im neuen Aufschwung dann überproportional zu partizipieren – so war es schon immer und so wird es wieder sein.

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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