Nach dem holprigen Herbst laufen sich Anleger allmählich für eine mögliche Jahresendrally in den USA warm. Gleich mehrere Gründe sprechen für einen versöhnlichen Jahresausklang an den Märkten der Neuen Welt.
In den Supermärkten herrscht bereits jetzt Festtagsstimmung. Lebkuchen, Dominosteine und Spekulatius künden vom näher rückenden Jahresende. Nun darf wieder die Frage gestellt werden, ob wir auch in diesem Jahr wieder eine Jahresendrallye bekommen oder nicht. Ein Blick in die Börsengeschichte macht Mut: Das vierte Quartal ist traditionell das Beste des ganzen Börsenjahres.
Zwischen 1988 und 2018 lieferte das letzte Quartal in rund vier Fünfteln aller Jahre eine positive Rendite. 1999 waren es sogar mehr als 30 Prozent. Ebenfalls positiv: Hatte der US-Aktienmarkt gemessen am marktbreiten S&P 500-Index wie in diesem Jahr mindestens 15 Prozent zugelegt, hat er seit 1954 nur in den Jahren 1986 und 1987 die dann bis zum Jahresende folgende Zeit mit Verlust abgeschlossen. Im Schnitt stieg er um weitere 5 Prozent.
ÜBERZEUGENDE BILANZEN – ZUMINDEST BISHER
Auch fundamental gibt es Grund zur Zuversicht: Mit meist positiv aufgenommenen Quartalsergebnissen kommen die großen US-Aktienindizes wieder in Reichweite ihrer Rekordniveaus. Die Dow Jones-Indexschwergewichte Johnson & Johnson und der Versicherer Travelers übertrafen mit ihren Ergebnissen für das dritte Quartal sowohl die Gewinnerwartungen als auch die Umsatzprognosen. Auch Tabakriese Philip Morris und der Konsumgüterriese Procter & Gamble legten Zahlenwerke vor, die über den Erwartungen der Analysten lagen. Ähnlich stark präsentierten sich die großen US-Banken: Die Zuwächse, von denen J.P. Morgan Chase, Citigroup, Morgan Stanley, Bank of America und Goldman Sachs berichteten, ließen keine Expertenwünsche offen.
Und auch die im Herbst strauchelnde Technologiebranche erhält wieder Rückendeckung. Streaming-Marktführer Netflix etwa steigerte zwischen Juli und September die weltweite Anzahl seiner Abonnenten um 4,4 auf insgesamt knapp 214 Millionen und übertraf damit deutlich die eigene Prognose von 3,5 Millionen neuen Kunden. Generell erscheinen die Bewertungen der US-Technologie-Riesen mit Blick auf ihr kontinuierlich hohes Umsatz- und Gewinnwachstum nicht überzogen.
ATTRAKTIVE ALTERNATIVEN ZU AKTIEN SIND UND BLEIBEN ÜBERSCHAUBAR
Dazu passt, dass die weithin grassierende Angst vor steigenden Zinsen kaum begründet erscheint. Die anhaltenden Lieferengpässe und steigenden Preise – insbesondere für Energie – dürften die Wirtschaft schwächer wachsen lassen als noch vor einigen Wochen prognostiziert. Kaum eine Notenbank dürfte diese Entwicklung mit Zinserhöhungen zusätzlich verstärken wollen. Die Zinsen sollten daher weiterhin niedrig bleiben und Aktien zusätzlich stützen. Da zugleich die Inflation noch eine ganze Weile um die Fünf-Prozent-Marke pendeln könnte, bleiben Aktien angesichts teurer Anleihen und im negativen Bereich rentierenden Sparbüchern auch als Sachwerte erste Wahl.
Für eine Jahresendrally spricht auch, dass sich Corporate America in Kauflaune befindet. US-Konzerne investieren wieder sehr stark in Übernahmen und Aktienrückkäufe. Allein im dritten Quartal haben die Firmen mit Barmitteln finanzierte Takeovers in einem Gesamtvolumen von 330 Milliarden Dollar angekündigt. Hält dieser Trend in den kommenden Monaten an, könnte das Transaktionsvolumen in diesem Jahr sogar die bisherige Rekordmarke von 2018 übertreffen.
GÜNSTIGE SAISONALITÄT SPRICHT FÜR JAHRESENDRALLY
Auch der CNN Fear & Gread Index liegt mit einem Wert von 50 im neutralen Bereich und zeigt keine Anzeichen von übertriebener Gier. Laut einer Umfrage der Bank of America ist die Zuversicht der Anleger so gering wie seit einem Jahr nicht mehr. Die Investoren dürften daher abgesichert sein oder auf überdurchschnittlich hohen Cash-Reserven sitzen. Last but not least waren die Google-Suchergebnisse für „Dow Jones“ in den letzten beiden Wochen rückläufig, was laut DataTrek Research typischerweise bedeutet, dass das Verbrauchervertrauen steigt. „Das sind gute Nachrichten“, so DataTrek-Mitgründer Nicholas Colas.
WO SICH CHANCEN BIETEN, LAUERN AUCH GEFAHREN
Die Baisse-Stimmung der Anleger ist letztlich ein Kaufsignal für antizyklisch agierende Anleger. Sie kann der Trigger sein, damit die Kurse an der berühmten „Mauer der Angst“ hochklettern, wenn sich die Befürchtungen auflösen und die erwähnte günstige Saisonalität in den letzten drei Monaten des Jahres einsetzt. Doch Vorsicht: Trotz der aussichtsreichen Gemengelage sollten Anleger stets bedenken, dass der Vermögensaufbau mit Aktien zwar sehr große und aus unserer Sicht alternativlose Chancen bietet – allen voran auf lange Sicht – und eine gute Auswahl an Papieren die Grundvoraussetzung ist. Auf der anderen Seite sollten Anleger aber auch im Blick behalten, dass jederzeit unvorhersehbare Ereignisse im Nu die Stimmung und die Kurse belasten können – sie mit einem Profi an der Hand, einem guten Risikomanagement und einer ausgewogenen Balance im Portfolio aber selbst in solchen Phasen Ruhe bewahren können.
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