Chinas Weg in die Moderne ist ein Marathon – der allerdings im Sprinttempo zurückgelegt wird. Innerhalb von nur 40 Jahren gelang es der Volksrepublik, zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA aufzusteigen. Die Konsequenz, mit der die Kommunistische Partei dabei das Reich der Mitte vom Agrarland zur Industrienation vorantrieb, ist beeindruckend. In atemberaubendem Tempo hat die politische Führung China trotz Handelskriegen, Embargos oder Kritik am Umgang mit Menschenrechten in die Liga der weltweit führenden Wirtschaftsmächte katapultiert. Doch die Ziele sind noch ambitionierter.
Chinas ehrgeizige Ziele
Bis zum Jahr 2049 – dem 100. Geburtstag der Volksrepublik – will China zur technologischen Supermacht aufsteigen. Um dieses Ziel zu erreichen, verabschiedete der chinesische Volkskongress im März den 14. Fünf-Jahresplan. Erster Kernpunkt: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen zwischen 2021 und 2025 auf 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 16,49 Billionen US-Dollar (Schätzung des Internationalen Währungsfonds für 2021) steigen. Schwerpunkte der Investitionen sollen auf die Technologiebereiche Halbleiter, Gesundheitswesen, Quantencomputer und Cloud Computing gelegt werden. Ziel scheint es zu sein, als Reaktion auf wirtschaftliche Konflikte die wissenschaftliche und technologische Selbstständigkeit Chinas auszubauen.
Der zweite Kernpunkt: Der „doppelte Wirtschaftskreislauf“ und die Stärkung der Binnenwirtschaft. Auf der Grundlage eines stärkeren und dynamischeren Binnenmarkts sollen sich nach Einschätzung des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IFW) die Binnenwirtschaft („inländischer Wirtschaftskreislauf“) und die Außenwirtschaft („internationaler Wirtschaftskreislauf“) in ihrer Entwicklung gegenseitig fördern. Gleichzeitig will China im Rahmen der Strategie „Made in China 2025“ künftig Spitzenpositionen in Schlüsselbranchen wie Biomedizin, Luft- und Raumfahrttechnik, IT und Kommunikationstechnologien sowie Elektromobilität einnehmen. Nach 40-jähriger Aufholphase, die von quantitativem Wachstum geprägt war, setzt China nun mit seinen neuen Plänen offensichtlich auf qualitative Verbesserungen, die das Land unabhängiger von internationalen Technologien macht.
China – reiches Land, armes Land
Trotz aller Fortschritte hat China allerdings noch nicht das Niveau westlicher Industrienationen erreicht. Das wird beim BIP pro Kopf deutlich: 2020 lag es in China bei 10.480 Dollar. Zum Vergleich: In den USA betrug es 63.400 oder in Deutschland 45.730 Dollar pro Kopf. Den zahlreichen Millionären und Milliardären stehen in der 1,4-Milliarden-Menschen-Nation Hunderte Millionen Wanderarbeiter gegenüber. So musste der chinesische Premier Le Kequiang im Mai 2020 einräumen, dass rund 600 Millionen Chinesen von rund 140 Dollar im Monat leben müssen. Die Beseitigung der Ungleichheit ist denn auch eines der wichtigsten Ziele Chinas – und nicht umsonst ist es das Bestreben der Kommunistischen Partei, China in eine „Gesellschaft bescheidenen Wohlstands“ zu wandeln.
Doch nicht nur im Binnenmarkt steht China Herausforderungen gegenüber. Handelskonflikte, Strafzölle und Embargos belasten das Verhältnis zum westlichen Ausland. Insbesondere die USA, aber auch Europa, betrachten die Entwicklung Chinas mit Skepsis und Misstrauen.
Ehrgeiz treibt China voran
Chinas Erfolg ist das Ergebnis einer Entwicklung, dass das Land nur nach seinen eigenen Regeln spielt. Der Staatskapitalismus und die Ausrichtung auf das Kollektiv stehen dem westlichen Verständnis von Freiheit, Demokratie und wirtschaftlicher Unabhängigkeit diametral gegenüber. So warnte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping den Westen anlässlich des 100. Geburtstags der Kommunistischen Partei Chinas Anfang Juli: „Das chinesische Volk wird keiner ausländischen Macht jemals erlauben, uns zu drangsalieren, zu unterdrücken oder zu versklaven. Wer das wagt, dem wird an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen.“
Erfolg gibt China recht
Der Erfolg gibt China bislang trotz aller Kritik aus dem Ausland recht. Die Wirtschaft wächst kontinuierlich. So rechnet der IMF im Jahr 2021 mit einem Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent. Im ersten Halbjahr lag es bei 12,7 Prozent. Angesichts der ambitionierten Ziele scheint es unwahrscheinlich – wenngleich nicht unmöglich –, dass China das Wachstumstempo drosselt und eine ähnliche Situation wie Japan erlebt, das nach dem Platzen der Immobilienblase in den 80ern viele Jahre lang in seiner wirtschaftlichen Entwicklung stagnierte. Im Gegenteil: Mit den Fünf-Jahres-Plänen und Projekten wie der „Neuen Seidenstraße“ oder dem Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership (RECP) legt China die Grundlagen für ein anhaltend hohes Tempo.
Kurzum: Von den großen Emerging Markets ist die Börse China das interessanteste Anlageziel. Zwar hat die Geschichte gezeigt, dass im Zweifel Peking das letzte Wort hat, doch lassen sich politische Risiken dank eines diversifizierten Investment-Ansatzes reduzieren. China ist und bleibt vielversprechend.
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