Die großen Indizes bewegten sich in den vergangenen Wochen eher nach unten. Doch wo findet der Abverkauf sein Ende? Orientierung können Bewertungen geben. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) gilt zwar nicht als die raffinierteste aller Bewertungskennzahlen, wohl aber als die Einfachste. Wir drücken damit den Faktor zwischen Gewinn je Aktie und Aktienkurs aus.

Bei der sogenannten fundamentalen Qualität gilt dann weiter zu durchleuchten, wie die Bilanz des Unternehmens aufgestellt ist, also auch seitens Verschuldung / Fremd- / Eigenkapital usw. – und dazu natürlich den Cash-Flow eines Unternehmens sowie auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis oder aber auch die Dividendenrendite. Natürlich ist dieses das blanke Zahlenmaterial, es dient jedoch zunächst als Grundlage, darüber hinaus ist sicherlich auch das Thema der Managementqualitäten zu berücksichtigen und sicherlich auch das wirtschaftliche Umfeld, also die Konjunktur selbst, in welchem Zyklus wir uns befinden, denn so erkennt man mögliches Potenzial oder auch nicht.

Ein weiterer und geschärfter Blick gilt mit Sicherheit dann dem Thema rund um die Profitabilität, denn es gilt bei guten Aktien, die jetzt preiswerter sind, mit einem überschaubaren und durchschnittlichen Risiko, eine möglichst hohe Verzinsung auf das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften. Hierfür gibt es ganz leicht zu betrachten die sogenannte Eigenkapitalrentabilität oder die Gesamtkapitalrentabilität – ich gebe zu, für Laien jetzt nicht einfach, aber darum geht es, denn eine hohe Rentabilität wird häufig dann erzielt, wenn aus dem erzielten Umsatz möglichst viel Gewinn generiert werden kann. Hier lohnt also auch ein Blick auf die Gewinnmargen des Unternehmens.

Um den Jahreswechsel waren beispielsweise Titel aus dem MSCI Europe noch mit einem KGV von rund 16 bewertet. Inzwischen liegt dieser Wert bei 11.  Im Mittel der vergangenen zehn Jahre waren Aktien höher bewertet als heute. Etwas mehr als 20 Prozent Abschlag sind aktuell eingepreist, dies bedeutet jedoch noch nicht, dass Anleger jetzt bedenkenlos bei Indizes wie dem MSCI Europe oder STOXX 600 zuschlagen sollten, wie gesagt, neben der Aktien- und der Marktanalyse sollte man auch das Umfeld bewerten, in dem wir uns befinden. Gründe dafür gibt es gleich mehrere ,aber auch Gründe noch etwas abzuwarten. Der erste Grund liegt in der Natur der Märkte: Sie übertreiben! Während vergangener Schwächephasen rutschten die Bewertungen mitunter auch in den einstelligen Bereich. Wer jetzt zu vorschnell auf den ganzen Markt setzt, braucht in den kommenden Monaten womöglich gute Nerven, ein prozentuales Kaufen wäre daher angesagt.

Der zweite Grund ist in der Index-Konstruktion bedingt. Der MSCI Europe bündelt aktuell mehr als 400 Werte. Darunter sind Aktien mit einem niedrigen KGV und Werte, die gemessen am Mittel noch immer teuer sind. Gerade in einer Phase, in der Aktien zwar günstiger, aber noch nicht „billig“ sind, muss man differenzieren. Ein marktbreiter Index wie der MSCI Europe bietet eine gute Diversifikation, sollte aber nur ein untergewichteter Bestandteil sein, es gilt direkt in Aktien zu investieren.

Aktien bleiben wichtig, aber…

Um ein langfristig tragfähiges Portfolio auszurichten, gilt es, schon heute Chancen wahrzunehmen. Das gelingt eben nur auf der Ebene der Einzeltitel. Hier finden sich auch heute – und selbst in so turbulenten Phasen wie derzeit – schon Werte, die attraktiv bewertet sind und auf Krisen-Niveaus notieren. Während der Gesamtmarkt noch keine eindeutigen Signale liefert, gibt es schon heute einige vielversprechende Unternehmen zu einem guten Preis. Doch kommt es nicht allein auf Bewertungsniveaus an!

Alle Kennzahlen haben naturgemäß Schwächen, wenn es zu unvorhergesehen Bewegungen kommt. Natürlich nur kurz- oder mittelfristig, denn langfristig sind es viele Perlen am Markt, die derzeit kaufenswert sind. Gerade in einer Zeit des Wandels sollten Anleger auf Unternehmen setzen, die mit dieser Unsicherheit umgehen können oder sogar davon profitieren. Aktien bleiben nicht zuletzt wegen der anhaltend hohen Inflation  die wichtigste Anlageklasse, doch sollten Anleger, die einen Vermögensaufbau mit Aktien anstreben, selektiv vorgehen.

Königsklasse statt Pauschallösungen

Dieses sogenannte Stockpicking fällt selbst entscheidenden Anlegern gerade während herausfordernden Märkte besonders schwer, denn wenn man ehrlich die Lage betrachtet, wer kann das denn? Während Investments in Eigenregie in den vergangenen Jahren mitunter recht turbulent ausgingen, weil die Märkte mit Corona, Euroschuldenkrise, Inflation und vielen weiteren Herausforderungen schwierig waren, kommt es heute noch mehr darauf an, dass Entscheidungen treffsicher sind. Das dazu nötige Zusammenspiel aus angemessenen Einstiegsniveaus, zukunftsfähigen Geschäftsmodellen und einer Robustheit gegen die Unwägbarkeiten der Gegenwart ist die Königsklasse des Investierens – und sollte im Idealfall eher Menschen übertragen werden, die sich tagtäglich mit den Kapitalmärkten befassen, sich eine Menge Wissen angeeignet haben, auch in hektischen Phasen einen kühlen Kopf bewahren und dieses seit Jahrzehnten ausüben – also uns, als Vermögensverwaltung.

 

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss.

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