Lieferdienste unter Zugzwang
17. Juni 2021
Mal eben die Pizza bestellen oder den Supermarkteinkauf online erledigen und bringen lassen: Die Corona-Krise mit ihren landesweiten Schließungen der Biergärten, Restaurants und Kneipen sorgte für einen Boom bei Lieferdiensten. Die Umsätze, Gewinne und Aktienkurse von Delivery Hero, HelloFresh und Co. machten im vergangenen Jahr ordentlich Boden gut. Doch mit dem Abflauen der Corona-Pandemie könnte der Aufschwung der Lieferdienste gebremst werden.
Coronabedingte Erfolgsgeschichte der Lieferdienste
Die Aktienkurse zahlreicher Lieferdienste stiegen in den vergangenen Monaten – wohl auch aufgrund der Corona-Krise – deutlich an. So legte der Kurs des Kochbox-Lieferanten HelloFresh binnen Jahresfrist um rund 124 Prozent zu und der DAX-Wert Delivery Hero stieg um etwa 36 Prozent – mit einem zwischenzeitlichen Allzeithoch von 147 Euro.
Doch Vorsicht: Zuletzt haben die Aktien einiger Lieferdienste an Schwung verloren. Ein Beispiel: Während der Kurs des Marktführers in Deutschland, Just Eat Takeaway.com (Lieferheld, Foodora, Pizza.de), im vergangenen Herbst bei rund 110 Euro notierte, kostet eine Aktie aktuell knapp 74 Euro. Dies entspricht einem Minus von rund 33 Prozent. Dieser Kursrutsch zeigt einmal mehr, dass die Börse keine Einbahnstraße ist und Anleger darüber hinaus das Risikomanagement niemals vernachlässigen sollten.
Wachsender Wettbewerb bei Lieferdiensten
Dennoch: Der Erfolg der Lieferdienste sowie von Online-Supermärkten weckt Begehrlichkeiten. Neue Anbieter wie die Tochter des Mobilitätsdienstleisters Uber, Uber Eat, die Online-Supermärkte Gorillas oder Flink drängen neben regionalen Anbietern und Gastronomen auf den Markt. Auch Delivery Hero, dass sich vor mehr als zwei Jahren vom deutschen Markt verabschiedet hat, kehrt nun mit seiner Marke Foodpanda zurück und verschärft damit den Wettbewerb in der Nahrungsmittelbranche zusätzlich.
Um Erfolg zu haben und diesen nachhaltig zu sichern, erweitern Unternehmen wie Delivery Hero ihr Angebot und liefern neben Lebensmitteln auch ausgewählte Supermarkt- und Drogerieartikel. Zum Durchbruch soll zudem Q-Commerce verhelfen – Quick-Commerce. So hat Delivery Hero es sich zum Ziel gesetzt, dass nur sieben Minuten zwischen Bestellung und Lieferung liegen sollen. Gorilla will die Supermarktartikel in zehn Minuten und Lieferando die Order binnen 20 bis 30 Minuten zum Kunden gebracht haben.
Hohe Akzeptanz für Lieferdienste und Online-Supermärkte
Die Nachfrage scheint groß zu sein. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman haben 21 Prozent der Deutschen im vergangenen Jahr Lebensmittel online bestellt. Rund 50 Prozent der Bundesbürger kauften bereits online Supermarktartikel oder können sich das künftig vorstellen. Laut der Studie soll sich der Anteil von E-Food am Gesamtumsatz mit Lebensmitteln bis 2030 mindestens verfünffachen. Das dürfte viel Potenzial für die Unternehmen versprechen, die sich am Markt durchsetzen.
Lieferdienste – Wachstums- oder Wertpapiere?
Anleger sollten sich aber bewusst darüber sein, dass der Erfolg der Lieferdienste und Online-Supermärkte teuer erkauft wird. Beispiel Doordash: Beim US-Lieferdienst, der bald auch in Deutschland aktiv werden möchte, verbleiben nur 15 Prozent des Umsatzes einer Bestellung beim Unternehmen. Der Rest fließt an die Restaurants und die Fahrer. Und von den 15 Prozent muss Doordash alle Kosten bestreiten.
Dass dieses Geschäftsmodell eine Gewinnerzielung ermöglicht, sollte zwar nicht ausgeschlossen werden, doch eine Herausforderung ist es allemal. Das macht auch das Bespiel Delivery Hero deutlich: Anders als Just Eat Takeaway.com hat Delivery Hero etwa trotz zehnjähriger Unternehmensgeschichte, einer fulminanten Steigerung der Bestellungen und Umsätze sowie einer Marktpräsenz in mehr als 50 Ländern als einziger DAX-Konzern auch im vergangenen Jahr keine Gewinne abgeliefert.
Anleger, die auf einen Vermögensaufbau mit Aktien setzen wollen, müssen vor diesem Hintergrund abwägen, ob sie in Wachstums- oder Wertpapiere setzen wollen. Gegessen und getrunken wird zwar immer, heißt es. Und die Bequemlichkeit der Kunden könnte ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor sein. Ob dies jedoch der Gradmesser für eine nachhaltige und langfristige Investitionsentscheidung sein sollte, muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden.
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Dr. Markus C. Zschaber, Gründer und Geschäftsführer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft, gilt als einer der erfahrensten und renommiertesten Vermögensverwalter in Deutschland und begleitet alle Prozesse im Unternehmen aktiv mit.
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